Stadt Gunzenhausen zeigt den NS-Vorbehaltsfilm „Jud Süss“ und setzt sich kritisch mit dem Inhalt auseinander

Gunzenhausen – Am 9. November 2024 jährt sich das furchtbare Pogrom von 1938 zum 86. Mal. Die zentrale Gedenkveranstaltung wird in diesem Jahr in der Evangelischen Stadtkirche stattfinden. Nicht erst seit den terroristischen Angriffen auf Israel im Herbst letzten Jahres beobachten wir mitten in unserer Gesellschaft ein Erstarken antisemitischer Gedanken. So begegnen wir immer häufiger judenfeindlichen Ressentiments, ungefilterten Vorurteilen und blankem Hass. Gerade in demokratiefeindlichen Kreisen ist Antisemitismus tief verwurzelt und die Stadt Gunzenhausen möchte dieser hässlichen Fratze der Geschichtsvergessenheit Aufklärung und Wissenschaft entgegensetzen. Am 7. November 2024 wird daher das Stadtarchiv Gunzenhausen unter Federführung von Stadtarchivar Werner Mühlhäußer den NS-Vorbehaltsfilm „Jud Süss“ öffentlich zeigen und zu einer kritischen Auseinandersetzung einladen. Der Film wird von der Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung aus Wiesbaden zu dokumentarischen und wissenschaftlichen Zwecken zur Verfügung gestellt.

Auf der zeitgenössischen Fotografie sind die Neuen Lichtspiele in der Bahnhofsstraße zu sehen. In diesem Kino lief damals auch Jud Süss. Hier zu sehen ist u.a. die SA-Kapelle Gunzenhausen, die anlässlich der Premiere des Riefenstahl-Films Triumph des Willens spielt.
Bild: Stadtarchiv Gunzenhausen (Fotograf unbekannt)

Die Vorführung ist ein mutiges Vorhaben, gilt „Jud Süss“ doch als der berüchtigtste antisemitische Spielfilm aus der Schmiede der NS-Traumfabrik. Die Angst vor einem Missbrauch ist verständlich, allerdings dürfen wir als aufgeklärte Gesellschaft nicht so tun, als hätte es das Dritte Reich und dessen Propagandaapparat nie gegeben. Vor dem Film wird der Historiker Dr. Thomas Greif „Jud Süss“ kontextualisieren und eine wissenschaftliche Einordnung vornehmen. Am Ende wird es eine aufklärende Podiumsdiskussion zum Thema „Antisemitismus zu Unterhaltungszwecken“ geben. Beteiligen werden sich die Historikerinnen Dr. Andrea Erkenbrecher und Katrin Kasparek, der Historiker Dr. Thomas Greif und Stadtarchivar Werner Mühlhäußer.

Mit „Jud Süss“ erschien im Herbst des Kriegsjahres 1940 im Kontext des Polenfeldzugs einer der schlimmsten antisemitischen Spielfilme. Chefideologe Joseph Goebbels hatte persönlich an der Umsetzung mitgewirkt, im Februar 1941 adelte er das von Regisseur Veit Harlan gedrehte rassistische Werk im Rahmen einer Rede als „einwandfreien großen Nationalfilm“. In seinem Tagebuch schrieb er am 9. November 1939 von dem „ersten wirklich antisemitischen Film“. Weitere Prädikate folgten, der Film sollte u.a. als „staatspolitisch besonders wertvoll“, „jugendwert“ und „Film der Nation“ gelten. Jeder „gute Deutsche“ hatte sich das Werk anzusehen, Heinrich Himmler ließ sogar mit Erlass Vorsorge treffen, dass der gesamte Polizeiapparat und die SS „Jud Süss“ zu sehen bekam. Heutige Schätzungen gehen von insgesamt mehr als 20 Millionen Kinobesuchern aus, in Gunzenhausen war „Jud Süss“ sogar der erfolgreichste Film des Jahres 1940. Bis 1945 wurde er immer wieder aufgeführt und im Februar des letzten Kriegsjahres wurden in Deutschland noch rund 30.000 Eintrittskarten verkauft. Harlans Film hatte eine unglaubliche Wirkungsmacht und verharmloste Antisemitismus als Unterhaltung. Ideologischen Propagandafilmen wie „Jud Süss“ ist es mit zu verdanken, dass die nationalsozialistische Vernichtungspolitik so erfolgreich war.

Inhaltlich geht es um den Herzog von Württemberg, der in der Schuld des Juden Süss Oppenheimer steht. Durch das Zutun des Finanzberaters wird das Volk mit immer höheren Abgaben belastet, außerdem hat er ein Auge auf die junge Dorothea Sturm geworfen. Nach und nach planen die Landstände den Aufstand, Oppenheimer foltert den darin verwickelten Verlobten Sturms um auf diese Weise die Umsturzpläne zu verhindern. Die Frau bettelt bei Oppenheimer um Gnade und wird von diesem vergewaltigt. Sie begeht daraufhin Selbstmord, dazu stirbt der Herzog von Württemberg an einem Schlaganfall. Oppenheimer wird verhaftet und gehängt. Alle Juden werden aus Württemberg verbannt.

NS-Ideologen behaupteten, dass „Jud Süss“ auf historischen Tatsachen beruhte, allerdings wurden nur wenige Namen und Ortsangaben übernommen. Der Film reproduziert antisemitische Vorurteile, eine öffentliche Vorführung bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Aufklärung und der Erhöhung eines politisch-ideologischen Instruments. Mit „Jud Süss“ wurde nicht nur eine gedankliche Grundlage für Judenhass geschaffen, sondern auch der Nährboden für den vielfachen Massenmord mit vorbereitet.

Handwerklich ist der NS-Vorbehaltsfilm „Jud Süss“ gut gemacht und von hoher Qualität. Seine rassistischen, volksverhetzenden und nationalsozialistischen Tendenzen weiß er gut unter dem Gewande eines Historienfilms zu verstecken. Den teils blinden und für äußere Einflüsse anfälligen Anhängern der NS-Ideologie war „Jud Süss“ eine psychologische Waffe. Das machte ihn damals und macht ihn auch noch heute brandgefährlich.

„Jud Süss“ wird am 7. November 2024 um 19 Uhr auf der Hensoltshöhe im Bethelsaal gezeigt (Einlass: 18.30 Uhr). Zur Deckung der Unkosten wird ein Eintrittsgeld von 10 Euro pro Person erhoben. Karten können in der Tourist Information der Stadt Gunzenhausen und am Abend vor Ort im Bethelsaal erworben werden.

Bitte beachten Sie: Auf dem Gelände der Hensoltshöhe sind nur begrenzte Parkflächen vorhanden. Nutzen Sie daher die Parkplätze in der Frickenfelder Straße 17 (Alter Sonnenhof).

Quelle: Stadt Gunzenhausen – Manuel Grosser

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